Der Sonnenkönig als Personifizierung des Absolutismus
Wie kein anderer Monarch verkörpert König Ludwig XIV. (1638-1715) die Regierungsform des Absolutismus.
Ob der Sonnenkönig den Ausspruch „L’État c’est moi“ tatsächlich getätigt hat, ist eher zweifelhaft.
Aber in der Tat hat Ludwig XIV. seit der Übernahme der Regierungsgeschäfte im Jahr 1661 bis zu seinem Tod die Richtung der Politik in Frankreich vorgegeben.
Jedes Gesetz ging über den Schreibtisch des Königs. Und Adel, Parlement und die Generalstände büßten an Macht ein.
Ludwig XIV. als Vorbild für andere Fürsten
Mit seiner glanzvollen Hofhaltung in Versailles und seiner uneingeschränkten Macht wurde Ludwig XIV. zum Vorbild für andere Monarchen in Europa.
Insbesondere im Heiligen Römischen Reich wurde der Sonnenkönig häufig nachgeahmt. Viele Reichsfürsten träumten von ihrem eigenen Versailles und ließen prunkvolle Schlösser errichten.
Dieser kulturelle Einfluss des Sonnenkönigs manifestierte sich in prächtigen Bauten wie dem Mannheimer Schloss (Kurpfalz) und dem Residenzschloss Ludwigsburg (Württemberg).
Französische Sprache und Kultur verbreiteten sich von Versailles aus auf Höfe in ganz Europa.
Der Einfluss der Fronde auf das Denken des Sonnenkönigs
Ludwig XIV. erblickte am 5. September 1638 das Licht der Welt. Eines seiner frühesten und traumatischsten Kindheitserlebnisse ist der Fronde-Aufstand (1648-1653).
Das Parlement von Paris und einige der wichtigsten Vertreter des französischen Hochadels verbündeten sich und stellten zusammen eine ernsthafte Bedrohung für die Machtfülle des Königtums dar.
Zwischenzeitlich befand sich sogar die königliche Familie in der Gewalt der Fronde.
Zwar konnte der Fronde-Aufstand bis 1653 restlos niedergeschlagen werden, aber für Ludwig XIV. war klar, dass so etwas nie wieder vorkommen durfte.
Versailles und die Zähmung des Adels
Der Sonnenkönig zog aus der Fronde die Lehre, dass er den Adel im Auge behalten musste, um einen weiteren Aufstand gegen die Macht der Krone schon im Keim zu ersticken.
Das galt insbesondere für die Vertreter des Hochadels, da die Anführer der nächsten Fronde aus ihren Reihen kommen würden.
Der Bau des Schlosses von Versailles ist auch vor diesem Hintergrund erfolgt. In Versailles konzentrierte Ludwig XIV. nämlich die wichtigsten Adeligen Frankreichs und hatte diese dort stets im Blick.
Und die Adeligen buhlten um die Gunst des Königs, anstatt Intrigen gegen diesen zu schmieden.
Die Anfänge der persönlichen Regentschaft des Sonnenkönigs
Zwischen 1624 und 1661 hatten die Kardinäle Richelieu (1585-1642) und Mazarin (1602-1661) als Premierminister die französische Politik entscheidend gelenkt.
Als Mazarin am 9. März 1661 starb, setzte Ludwig XIV. ein Zeichen und ernannte keinen neuen Premierminister. Stattdessen übernahm er selbst die Regierungsgeschäfte.
Zudem machte er deutlich, dass in Zukunft alle Schriftstücke und Dokumente ihm vorgelegt werden mussten.
Weiterhin hatten sich die Minister nach den Wünschen des Königs zu richten. Die Macht konzentrierte sich wieder in der Person des Monarchen.
Die Entmachtung des Parlements
Zu den Institutionen, die das Potenzial hatten, ein Korrektiv zur wachsenden königlichen Macht zu werden, zählten das Parlement von Paris sowie die Generalstände.
Die Aufgabe des Parlements bestand darin, die vom König eingebrachten Gesetze abzusegnen und diese damit in Kraft zu setzen.
Es stand dem Parlement frei, die Zustimmung zu verweigern und den König zum persönlichen Erscheinen zu zwingen.
Bereits 1659 verbot Ludwig XIV. dem Parlement, abweichende Meinungen zu den königlichen Gesetzen zu artikulieren. Dessen neue Rolle bestand darin, die königlichen Gesetze schweigend abzunicken.
Der Sonnenkönig hatte das Parlement entmachtet.
Die Entmachtung der Generalstände
Die Generalstände waren für die Vertreter der drei Stände – Klerus, Adel und Dritter Stand – die Gelegenheit, Einfluss auf die königliche Politik zu nehmen.
Sie gaben vor allem dem Hochadel die Möglichkeit, den König unter Druck zu setzen.
Ludwig XIII. (1601-1643) berief die Generalstände im Jahr 1614 ein. Danach verschwanden diese bis zur Französischen Revolution in der Versenkung, denn Ludwig XIV. verzichtete auf deren Einberufung.
Die Generalstände standen der absoluten Herrschaft des Sonnenkönigs also nicht mehr im Weg.
Ludwig XIV. und seine Minister
Seit dem Beginn seiner persönlichen Regentschaft verfügte Ludwig XIV. über sehr kompetente Minister.
So hat der Generalkontrolleur der Finanzen Jean-Baptiste Colbert (1619-1683) die französischen Staatsfinanzen saniert.
Dieser Fortschritt wurde jedoch ab 1672 durch die vielen Kriege des Sonnenkönigs wieder zunichte gemacht.
Und die beiden Kriegsminister Michel Le Tellier (1603-1685) und der Marquis de Louvois (1641-1691) machten aus der französischen Armee die schlagkräftigste in Europa.
Ludwig XIV. spielte die beiden Rivalen Colbert und Louvois gegeneinander aus und verhinderte damit, dass einer der Minister zu mächtig wurde.
Die stärkste Armee in Europa
Zu den grundlegenden Erkennungsmerkmalen des Absolutismus zählt ein stehendes Heer. Und Ludwig XIV. verfügte über das stärkste in Europa. Sowohl was die Anzahl der Soldaten als auch was die Qualität der Kommandeure betrifft.
Verfügte der Sonnenkönig 1665 nur über 45.000 Mann, so stieg diese Zahl bis 1703 auf 400.000 an.
Und dieses große Heer wurde von kompetenten Feldherren wie zum Beispiel den Marschällen Turenne (1611-1675) und Luxembourg (1628-1695) angeführt.
Die Kriegsminister Le Tellier und Louvois legten mit ihren Reformen den Grundstein für die militärische Stärke Frankreichs.
Zum Vergleich: England
Während Ludwig XIV. Parlement und Generalstände entmachten konnte, musste sich der König von England mit einem immer stärker werdenden Parlament auseinandersetzen.
König Karl I. (1600-1649) verlor sogar seinen Kopf im Konflikt mit dem Parlament.
Und 1688 wandten sich die Parlamentarier gegen König Jakob II. (1633-1701) und luden Wilhelm III. von Oranien (1650-1702) nach England ein.
Dieser unterzeichnete nach seiner Machtübernahme (Glorreiche Revolution) die „Bill of Rights“ und schrieb damit die Rechte des Parlaments fest.
Zum Vergleich: Das Heilige Römische Reich und Polen
Während der König von Frankreich in seiner Person die Macht konzentrierte, verfügte der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches über sehr viel weniger Handlungsfreiheit.
Er musste seine Anliegen vor dem Regensburger Reichstag vorbringen und war auf die Zustimmung der dort vertretenen Reichsfürsten angewiesen.
Noch handlungsunfähiger war der König von Polen. Die von ihm eingebrachten Gesetzesvorschläge mussten von der Sejm einstimmig beschlossen werden.
Nur eine Gegenstimme (Liberum Veto) reichte aus, um ein Gesetzesvorhaben zu kippen.
In der Folge war das Königreich Polen häufig in politischer Hinsicht gelähmt.
Henshall erhebt Einspruch
Der englische Lehrer und Historiker Nicholas Henshall stellte in seinem Werk The Myth of Absolutism* (1992) den Absolutismus als Epochenbezeichnung in Frage.
Seiner Meinung nach war nicht einmal Frankreich eine absolute Monarchie.
Wenn man von einer absolutistischen Herrschaft spricht, dann geht man von einer vollständigen Konzentration der Macht in einer Hand aus.
Henshall zufolge trifft dies auf Frankreich nicht zu, da die Könige die Stände auch weiterhin in ihre Entscheidungsfindung einbezogen hätten.
War Frankreich eine absolute Monarchie?
Henshall verweist weiterhin auf die Grenzen der königlichen Macht in Frankreich. So hätten die lokalen Stände die Rolle der Generalstände übernommen.
Lokale Identitäten und regionale Unterschiede hätten Zentralisierung und Vereinheitlichung erschwert.
Außerdem habe es während des Ancien Régime weder eine direkte Kontrolle durch den Staat noch eine einheitliche Gesetzgebung in Frankreich gegeben.
Entscheidungen seien nicht durch Zwang, sondern durch das Erzielen eines Konsens erreicht worden.
Henshall hat innerhalb der Geschichtswissenschaften durchaus Widerhall gefunden. So hat zum Beispiel Heinz Duchhardt seine Reihe Das Zeitalter des Absolutismus in Barock und Aufklärung* umbenannt.
Ein Fazit
Auch wenn der Begriff des Absolutismus in die Kritik geraten ist, so ist er in der Geschichtsforschung weiterhin sehr präsent.
Und wenn man von der klassischen Definition des Begriffes ausgeht, dann ist Ludwig XIV. der personifizierte Absolutismus.
Er hat die Macht in seiner Person konzentriert und potenzielle Gegenspieler wie den Hochadel und das Parlement von Paris entmachtet und unter seine Kontrolle gebracht. Er hat ein gewaltiges stehendes Heer aufgebaut.
Der absolute Herrschaftsanspruch kommt vielleicht am besten darin zum Ausdruck, dass der Sonnenkönig auf die Ernennung eines Premierministers verzichtet hat.