Kolonialpolitik des Sonnenkönigs

Die Anfänge des französischen Kolonialreiches lassen sich bis ins Jahr 1534 zurückverfolgen.

Als Ludwig XIV. (1638 – 1715) König von Frankreich wurde, verfügte das Land über Kolonien in Kanada und der Karibik.

Unter dem Sonnenkönig spielten die Kolonien als Absatzmarkt für Fertigwaren sowie als Rohstoffquelle eine wichtige Rolle im Merkantilismus.

1. Das französische Kolonialreich vor Ludwig XIV.

Im Jahr 1534 erkundete Jacques Cartier (1491 – 1557) im Auftrag von König Franz I. von Frankreich (1494 – 1547) den Sankt-Lorenz-Golf.

Am 24. Juli 1534 nahm Cartier das heutige Kanada für Frankreich in Besitz – der Beginn des französischen Kolonialreiches.

Die erste Siedlung in der Kolonie „Neufrankreich“ war sieben Jahre später „Fort Charlesbourg Royal“.

Und 1608 gründete Samuel de Champlain (1574 – 1635) Québec.

Den ersten Schritt zur Kolonisierung Haitis machte Frankreich 1625, als Bukaniere auf der Île de la Tortue (Schildkröteninsel) eine Siedlung errichteten.

Doch zurück nach Nordamerika. Im Jahr 1604 nahm Frankreich Nova Scotia und Teile von Maine in Besitz. In der neuen Kolonie „Akadien“ wurden Familien aus Westfrankreich angesiedelt.

2. Die Rolle der Kolonien im Merkantilismus

Im März 1661 übernahm König Ludwig XIV. von Frankreich die Ausübung der Regierungsgeschäfte.

In den ersten zwei Jahrzehnten der selbständigen Regierung des Sonnenkönigs prägte Jean-Baptiste Colbert (1619 – 1683) die französische Finanz- und Handelspolitik.

Colbert war ein Anhänger des Merkantilismus und förderte unter anderem Manufakturen.

Hier kommen die Kolonien ins Spiel, denn diese fungierten als Absatzmarkt für die in den Manufakturen erzeugten Fertigwaren.

Nicht nur aus diesem Grund war Colbert am Ausbau des französischen Kolonialreiches interessiert. Die Kolonien in Übersee dienten nämlich auch als Rohstoffquelle für das Mutterland.

Als Beispiel kann man die Kolonie Saint-Domingue in der Karibik nennen. Hier wurden wertvolle Rohstoffe wie Baumwolle, Kaffee oder auch Zuckerrohr produziert.

3. Saint-Domingue und der Zuckerrohrhandel

Ausgehend von einer Siedlung auf der Île de la Tortue (1625) weiteten französische Bukaniere ihre Aktivitäten auf das Festland der Insel Hispaniola aus.

Im Jahr 1659 legalisierte der französische Staat diese Siedlungen und gründete die Kolonie Saint-Domingue – das heutige Haiti.

In ökonomischer Hinsicht basierte die Kolonie auf dem Export von Rohstoffen.

Zu deren Abbau wurden im Laufe der Jahrzehnte immer mehr Afrikaner als Sklaven auf die Insel gebracht.

In manchen Jahren sollen bis zu 40 000 Sklaven in Saint Domingue eingetroffen sein.

Sie bauten Rohstoffe wie Kakao, Kokosnüsse, Baumwolle und Kaffee an.

Insbesondere der Handel mit Zuckerrohr florierte und machte Saint-Domingue zu einer der wertvollsten französischen Kolonien.

4. Neufrankreich: 1642 bis 1663

Der Pelzhandel spielte eine Schlüsselrolle für Neufrankreich.

Dabei war der Stamm der Algonkin ein wichtiger Handelspartner für die französischen Siedler.

Im Jahr 1642 gründete Paul de Chomedey de Maisonneuve (1612 – 1676) das Fort Ville-Marie – die Keimzelle der heutigen Großstadt Montreal.

Die Jesuiten waren in Neufrankreich aktiv und wollten die Ureinwohner zum römisch-katholischen Christentum bekehren.

Bei den Irokesen stießen die Jesuiten jedoch auf Widerstand.

Die Irokesen gingen ein Bündnis mit Frankreichs Rivalen England ein und griffen Montreal mehrmals an.

1651 dachte Stadtgründer Maisonneuve sogar an die Aufgabe von Montreal. Doch Adam Dollard des Ormeaux (1635 – 1660) schlug im Jahr 1660 die Irokesen zurück – Montreal und Neufrankreich waren gerettet.

5. Neufrankreich: 1663 bis 1689

1663 entzog der französische Staat der „Compagnie de la Nouvelle France“ die Hoheit über Neufrankreich und übernahm selbst die Kontrolle über die Kolonie.

Zwei Jahre später wurde ein Regiment der königlich-französischen Armee in Nordamerika stationiert.

Die Kolonie fiel in den Einflussbereich des Marineministers Jean-Baptiste Colbert. Dieser ernannte Jean Talon (1626 – 1694) zum ersten Intendanten von Neufrankreich.

Talon wollte den Frauenmangel in der Kolonie beheben. Bis 1673 trafen 768 unverheiratete Frauen aus dem Mutterland in Neufrankreich ein.

Sie waren zwischen 15 und 30 Jahren alt und gründeten mit Männern aus der Kolonie Familien.

Da sie von Ludwig XIV. geschickt wurden, erhielten sie den Namen „Töchter des Königs“ (filles du roi).

6. Neufrankreich: 1689 bis 1715

Die Kriege zwischen England und Frankreich in Europa strahlten auch auf Nordamerika aus.

Während in Europa der Pfälzische Erbfolgekrieg (1688 bis 1697) tobte, trugen in Nordamerika England und Frankreich „King William’s War“ aus.

Mit „King William“ ist König Wilhelm III. von England (1650 – 1702) gemeint.

Und parallel zum Spanischen Erbfolgekrieg (1701 bis 1713) fand in Nordamerika „Queen Anne’s War“ statt. Dieser militärische Konflikt ist nach der britischen Königin Anne (1665 – 1714) benannt.

In diesen Kriegen führten die europäischen Mächte zusammen mit ihren indianischen Verbündeten Überfälle auf die Siedlungen des Feindes durch.

Im Frieden von Utrecht trat Frankreich 1713 Nova Scotia und Neufundland an Großbritannien ab, durfte aber die Kap-Breton-Insel behalten.

7. Akadien

Zwischen 1640 und 1645 tobte ein Bürgerkrieg in Akadien.

Charles de Menou d’Aulnay (1604 – 1650) und Charles de Saint-Étienne de La Tour (1593 – 1666) beanspruchten beide das Amt des Gouverneurs der Kolonie.

Aulnay setzte sich durch und wurde unumstrittener Gouverneur.

Während „King William’s War“ (1688 bis 1697) gab es Gefechte im Grenzgebiet zwischen englischen und französischen Truppen. Dabei war Frankreich mit der Wabanaki-Konföderation verbündet.

Auch während „Queen Anne’s War“ (1702 bis 1713) kämpften Franzosen und Wabanaki Seite an Seite gegen die Engländer.

Britische Truppen unter Führung von Francis Nicholson (1655 – 1728) eroberten 1710 Port Royal, die Hauptstadt von Akadien.

Im Frieden von Utrecht trat Frankreich 1713 Akadien an Großbritannien ab.

8. Louisiana

Im Jahr 1682 erkundete der französische Entdecker Robert Cavelier de La Salle (1643 – 1687) mit Kanus den Mississippi.

Er nahm das Becken des Flusses für Frankreich in Besitz und taufte das Gebiet „Louisiana“ – nach dem Sonnenkönig.

Louisiana reichte vom Golf von Mexiko bis zu den Rocky Mountains.

Während der folgenden 33 Jahre kam es zu zahlreichen Stadtgründungen in der neuen Kolonie.

So geht Fort Maurepas (heute Ocean Springs, Mississippi), die erste französische Siedlung in Louisiana, auf Pierre Le Moyne d’Iberville (1661 – 1706) zurück.

Und Antoine de la Mothe Cadillac (1658 – 1730) gründete Detroit im Jahr 1701.

Nach Cadillac ist die gleichnamige Automarke aus der „Motor City“ Detroit benannt.

9. Martinique und die Hugenotten

1650 kaufte sich Jacques Dyel du Parquet (1606 – 1658) die Insel Martinique, deren Gouverneur er schon seit 1636 war.

Nach Parquets Tod stellte König Ludwig XIV. 1658 die Souveränität des französischen Staates über die Insel wieder her.

Auf Martinique bauten afrikanische Sklaven Zuckerrohr an.

Während der Regierungszeit des Sonnenkönigs bedrohten sowohl England (1667, 1693) als auch die Niederlande (1674) die französische Herrschaft über Martinique – jedoch ohne Erfolg.

Die Insel wurde zum Zufluchtsort für Hugenotten, die im französischen Mutterland verfolgt wurden.

Nach der Aufhebung des Ediktes von Nantes (1685) begann die Flucht der Hugenotten in die britischen Kolonien nach Nordamerika.

Bereits 1688 hatte Martinique nahezu seine komplette hugenottische Bevölkerung verloren.

10. Die Nachwirkungen des französischen Kolonialismus

Im Zuge des französischen Kolonialismus breitete sich auch die französische Sprache in der Welt aus.

Die Frankophonie erstreckt sich vom Mutterland über die Karibik bis nach Kanada. Dort ist Französisch bis heute neben Englisch eine der beiden Amtssprachen.

Laut dem Zensus 2016 ist Französisch für knapp ein Fünftel der kanadischen Bevölkerung die Muttersprache.

In der Provinz Québec hat sich eine ausgeprägte frankophile Kultur herausgebildet.

1980 und 1995 gab es sogar Unabhängigkeitsreferenden in Québec.

Auch in Haiti ist Französisch eine der beiden Amtssprachen. Vor allem unter gebildeten Haitianern ist Französisch weit verbreitet.

Der massive Import von afrikanischen Sklaven in der Kolonialzeit sorgte dafür, dass Haiti heute eine schwarze Bevölkerungsmehrheit hat.