I. Die frühen Jahre
Der spätere Kardinal Richelieu wurde am 9. September 1585 in Paris als Armand du Plessis de Richelieu geboren. Ursprünglich war er für eine militärische Laufbahn vorgesehen, aber als sein Bruder Alphonse-Louis (1582 – 1653) auf das Amt des Bischofs von Luçon verzichtete, kam Richelieu im Jahr 1607 als „Ersatzkandidat“ zum Zuge. 1614 überzeugte er bei den Generalständen mit seinen rhetorischen Fähigkeiten. 1616 wurde Richelieu von der Regentin Maria von Medici (1575 – 1642) zum Außenminister ernannt. Als Maria jedoch ein Jahr später von ihrem Sohn König Ludwig XIII. (1601 – 1643) gestürzt wurde, war Richelieus Amtszeit schnell vorbei.
II. Der Aufstieg zur Macht
Nach dem Sturz seiner Förderin Maria von Medici durfte Richelieu erst 1619 wieder den königlichen Hof betreten. Ihm gelang im selben Jahr die Versöhnung zwischen dem König und der früheren Regentin. Seit 1617 war der Herzog von Luynes (1578 – 1621) der starke Mann in der französischen Politik. Letzterer blockierte auch die Ernennung Richelieus zum Kardinal. Als Luynes allerdings im Dezember 1621 während eines Feldzugs gegen die Hugenotten einer Typhuserkrankung erlag, war der Weg für Richelieu frei. 1622 stieg der Bischof von Luçon zum Kardinal auf und 1624 ernannte Ludwig XIII. ihn zum Premierminister von Frankreich.
III. Richelieu und die Hugenotten
Im Edikt von Nantes (1598) wurde den französischen Protestanten (Hugenotten) weitestgehend die Religionsfreiheit eingeräumt. Das Edikt räumte den Hugenotten auch 100 befestigte Sicherheitsplätze ein, in denen sie Selbstverwaltungsrechte besaßen. Damit stellten sie einen Machtfaktor in Frankreich dar. Kardinal Richelieu waren die Sonderrechte der Hugenotten ein Dorn im Auge. Er wollte ihre Macht brechen und ließ hugenottische Städte und Festungen belagern. Nach dem Fall der Festung La Rochelle (1628) schieden die Hugenotten schließlich als militärischer Faktor aus. Sie durften jedoch (vorerst) ihre Glaubensfreiheit behalten. Unter Ludwig XIV. (1638 – 1715) verloren sie auch diese.
IV. Außenpolitische Grundsätze
Die Außenpolitik von Richelieu hatte eine eindeutig anti-habsburgische bzw. anti-spanische Stoßrichtung. In der spanischen Linie des Hauses Habsburg sah Kardinal Richelieu die größte Gefahr für Frankreich. Er unterstellte den spanischen Habsburgern das Streben nach einer Universalmonarchie. Die Rheingrenze war nicht Richelieus Ziel, sondern vielmehr sollte die Macht Habsburgs eingedämmt werden. Er wollte der spanischen Macht Einhalt gebieten. Für Richelieu stand die Sicherheit Frankreichs im Mittelpunkt seiner außenpolitischen Überlegungen. Und eine habsburgische Übermacht in Europa wäre gleichbedeutend mit einer massiven Schwächung Frankreichs gewesen. Die Angst vor der habsburgischen Umklammerung hatte die französische Außenpolitik seit König Franz I. (1494 – 1547) bestimmt.
V. Richelieu und Lothringen
Das Jahr 1633 war ein Schicksalsjahr für Lothringen. Zum einen begann die jahrzehntelange Besetzung des Herzogtums durch französische Truppen. Zum anderen wurde in diesem Jahr das Parlement von Metz gegründet. Letzteres hatte von Richelieu den Auftrag erhalten, nachzuforschen, bei welchen (Reichs)Territorien einst ein Abhängigkeitsverhältnis zu den drei Bistümern Metz, Toul und Verdun bestanden hatte. Bereits 1624 rief der Kardinal eine Kommission ins Leben, die Lehensabhängigkeiten gegenüber besagten Bistümern oder Usurpationen durch andere Fürsten aufdecken sollte. Die Kommission konzentrierte sich auf den lothringischen Raum. Damit waren die Grundlagen für die spätere Reunionspolitik gelegt.
VI. Der Konflikt mit dem Haus Habsburg
Im Jahr 1627 starben die Herzöge von Mantua aus dem Haus Gonzaga in direkter männlicher Hauptlinie aus. Danach erhoben zwei Nebenlinien Anspruch auf das Herzogtum. Während die Nebenlinie Gonzaga-Nevers von Frankreich unterstützt wurde, war Herzog Ferrante II. von Guastalla (1563 – 1630) der Kandidat des habsburgischen Kaisers. Das Resultat dieser konkurrierenden Ansprüche war der Mantuanische Erbfolgekrieg. Am Ende setzte sich Frankreich durch und Kaiser Ferdinand II. (1578 – 1637) erkannte im Frieden von Cherasco (1631) Carlo I. Gonzaga (1580 – 1637) als Herzog von Mantua an. Die französische Position in Oberitalien war damit enorm gestärkt worden.
VII. Der Französisch-Spanische Krieg
Der französisch-habsburgische Gegensatz prägte die gesamte Amtszeit Richelieus als Premierminister. Ein Beispiel ist der bereits angesprochene Erbfolgekrieg um das Herzogtum Mantua. An dieser Stelle kann man auch darauf hinweisen, dass Frankreich die Republik der Vereinigten Niederlande im Kampf gegen Spanien unterstützte. Seit 1635 befanden sich Frankreich und Spanien im offenen Kriegszustand. In der Anfangszeit hatten die Spanier die Oberhand und im Sommer 1636 standen sie gerade einmal 150 Kilometer vor Paris. Doch ab 1637 wendete sich das Blatt und Frankreich konnte immer mehr Gebiete unter seine Kontrolle bringen. Zum Beispiel im Juli 1639 das strategisch wichtige Elsass.
VIII. Das Bündnis mit Schweden
Richelieu war für seine pragmatische Außenpolitik bekannt. So scheute der Kardinal nicht vor Bündnissen mit protestantischen Mächten zurück, wenn es die Situation erforderlich machte. Im Jahr 1630 griff König Gustav II. Adolf von Schweden (1594 – 1632) in den Dreißigjährigen Krieg ein, um den Protestanten gegen den Kaiser beizustehen. Am 23. Januar 1631 schlossen Frankreich und Schweden den Vertrag von Bärwalde ab. Das französisch-schwedische Bündnis wurde in den Verträgen von Wismar (1636) und Hamburg (1638) bestätigt. Diese Allianz richtete sich gegen den Kaiser und erlaubte Richelieu die Schwächung der habsburgischen Machtposition.
IX. Richelieu und das Elsass
Bernhard von Sachsen-Weimar (1604 – 1639) hatte auf dem linken Rheinufer 1638 beachtliche Erfolge feiern können und eroberte unter anderem Freiburg, Breisach sowie das Elsass. Die Pläne, dort eine selbständige Herrschaft zu errichten, endeten jedoch mit seinem Tod am 18. Juli 1639. In der Folge geriet das nun herrenlose Elsass unter französische Kontrolle. Das war für Frankreich und Richelieu ein in strategischer Hinsicht großer Erfolg, denn damit war für Spanien die direkte Verbindung zwischen den Spanischen Niederlanden und Italien endgültig abgeschnitten. Im Westfälischen Frieden (1648) wurde die französische Vorherrschaft im Elsass bestätigt. Ludwig XIV. vollendete schließlich die Annexion des Elsasses durch Frankreich.
X. Richelieu und der Rhein
In der deutschen Geschichtswissenschaft ist Richelieu häufig das Streben nach der Rheingrenze vorgeworfen worden. Jedoch wollte der Kardinal keineswegs alle linksrheinischen Gebiete für Frankreich hinzugewinnen, sondern stattdessen bevorzugte er einzelne, gezielte Gebietsgewinne. Diese Strategie Richelieus zielte auf den Gewinn von in strategischer Hinsicht wichtigen Plätzen wie Breisach ab. Das, was der Kardinal anstrebte, war nicht der gesamte Rheinverlauf, sondern die Kontrolle über strategisch bedeutsame Abschnitte des Flusses. Richelieu hatte nicht die Intention, den Rhein zur französischen Ostgrenze zu machen. Er wollte die Flussabschnitte beherrschen, die für Frankreich wichtig waren.
XI. Das Vermächtnis Richelieus
Der am 4. Dezember 1642 verstorbene Kardinal Richelieu hat mit seiner Politik das Fundament für den Aufstieg Frankreichs zur Hegemonialmacht unter Kardinal Mazarin (1602 – 1661) und König Ludwig XIV gelegt. Indem Richelieu die Hugenotten als Machtfaktor ausschaltete, räumte er ein Hindernis auf dem Weg zum Absolutismus aus dem Weg. Auf seinen Auftrag hin wurde die Grundlagenarbeit geleistet, aus der dann ab 1679 die Reunionspolitik werden sollte. Mit dem Elsass und Lothringen hat er strategisch wichtige Regionen unter französische Kontrolle gebracht. Und der Gegensatz zum Haus Habsburg, der seine Zeit als Premierminister geprägt hat, setzte sich unter Ludwig XIV. unvermindert fort.