Ludwig XIV. und das spanische Erbe

Das Spanische Weltreich wurde seit 1516 von den Habsburgern regiert.

Doch aufgrund dynastischer Inzucht zeichnete sich im 17. Jahrhundert das Aussterben der spanischen Linie des Hauses Habsburg ab.

Dank einer geschickten Heiratspolitik konnte Ludwig XIV. von Frankreich (1638 – 1715) für das Haus Bourbon Anspruch auf das spanische Erbe erheben.

1. Spanien im 17. Jahrhundert

Während des 17. Jahrhunderts büßte Spanien seine Stellung als Hegemonialmacht in Europa Schritt für Schritt ein.

Portugal erklärte sich im Jahr 1640 unter König Johann IV. (1604 – 1656) aus dem Haus Braganza für unabhängig.

Am 13. Februar 1668 erkannte Spanien schließlich im Frieden von Lissabon die portugiesische Unabhängigkeit an.

Bereits 20 Jahre vorher musste Spanien im Westfälischen Frieden (1648) die Unabhängigkeit der Republik der Vereinigten Niederlande hinnehmen.

Lediglich das heutige Belgien sowie Luxemburg blieben als „Spanische Niederlande“ unter der Souveränität Madrids.

Ein weiterer schwerer Schlag für Spanien war der Pyrenäenfrieden (1659), der das Ende der spanischen Hegemonie und zugleich den Aufstieg Frankreichs zur neuen Führungsmacht in Europa markierte.

2. Inzucht im Haus Habsburg

Ein weiteres Problem für Spanien war die Heiratspolitik der regierenden Habsburger.

Alle spanischen Könige seit Philipp II. (1527 – 1598) hatten Frauen aus der österreichischen Linie des Hauses Habsburg geheiratet.

Philipp II. war seit 1570 mit seiner Nichte Anna von Österreich (1549 – 1580) verheiratet.

Deren gemeinsamer Sohn Philipp III. (1578 – 1621) heiratete 1599 seine Cousine Margarete von Österreich (1584 – 1611).

Philipp IV. (1605 – 1665), der aus der Ehe von Philipp III. und Margarete hervorging, ehelichte 1649 wiederum seine Nichte Maria Anna von Österreich (1634 – 1696).

Karl II. (1661 – 1700), der Sohn Philipps IV. und Maria Annas, war das Produkt von generationenlanger Inzucht.

3. Spanische Hochzeiten

Als Folge der jahrzehntelangen Inzucht war Karl II. von Spanien, der im September 1665 seinen Vater Philipp IV. beerbte, sowohl regierungs- als auch zeugungsunfähig.

Das Ende der spanischen Linie des Hauses Habsburg war nur noch eine Frage der Zeit.

Umso wichtiger waren da dynastische Ehen, um das eigene Haus in Stellung zu bringen und Ansprüche auf das spanische Erbe erheben zu können.

Im bereits erwähnten Pyrenäenfrieden wurde 1659 eine Ehe zwischen König Ludwig XIV. von Frankreich (1638 – 1715) und Maria Teresa (1638 – 1683), Tochter Philipps IV. von Spanien, arrangiert.

Kaiser Leopold I. (1640 – 1705) wiederum hatte 1666 Maria Teresas Halbschwester Margarita Teresa (1651 – 1673) geehelicht.

4. Der Devolutionskrieg

1665 erhob Ludwig XIV. zum ersten Mal Anspruch auf Teile des Spanischen Weltreiches.

Nach dem Tod seines Schwiegervaters Philipps IV. verlangte er unter Berufung auf das Brabanter Privatrecht große Teile der Spanischen Niederlande wie zum Beispiel Brabant, Luxemburg, Limburg sowie die Franche-Comté.

Maria Anna von Österreich, die als Regentin für ihren unmündigen Sohn Karl II. agierte, lehnte die Forderungen des Sonnenkönigs aber ab.

Um seinen Ansprüchen Nachdruck zu verleihen, veranlasste Ludwig XIV. im Mai 1667 den Einmarsch französischer Truppen in die Spanischen Niederlande.

Die spanischen Truppen waren eindeutig unterlegen.

Lediglich die Intervention der Republik der Vereinigten Niederlande, Englands und Schwedens (der Tripel-Allianz) verhinderte die Annexion der Spanischen Niederlande durch Frankreich.

5. Der Teilungsvertrag von 1668

Ludwig XIV. von Frankreich und Kaiser Leopold I., die beide Töchter von König Philipp IV. geheiratet hatten, unterschrieben am 19. Januar 1668 einen Vertrag, der die Aufteilung des spanischen Imperiums nach dem Aussterben der spanischen Habsburger regelte.

Dabei sollten das spanische Mutterland, die Kolonien in Mittel- und Südamerika sowie das Herzogtum Mailand an Österreich gehen.

Die Franche-Comté, die Königreiche Neapel und Sizilien sowie die Spanischen Niederlande wurden hingegen Frankreich zugesprochen.

Außerdem sollte der spanische Kolonialbesitz in Afrika und den Philippinen an Frankreich gehen.

Dieser Teilungsplan kam jedoch nicht zum Tragen, da England und die Republik der Vereinigten Niederlande ein Veto einlegten.

Der Konflikt um das spanische Erbe schwelte also weiter.

6. Joseph Ferdinand als Kompromisskandidat

Nach dem Frieden von Rijswijk (1697) suchten die europäischen Großmächte eine Kompromisslösung für die spanische Frage.

Frankreich, England und die Republik der Vereinigten Niederlande einigten sich auf den Prinzen Joseph Ferdinand von Bayern (1692 – 1699).

Dieser war über seine Mutter Maria Antonia von Österreich (1669 – 1692) mit den spanischen Habsburgern verwandt. König Philipp IV. von Spanien war sein Urgroßvater.

Seit dem 14. November 1698 war Joseph Ferdinand Universalerbe der spanischen Monarchie.

Doch nur wenige Monate später starb Joseph Ferdinand infolge einer Magenentzündung.

Damit kamen für das spanische Erbe nur noch habsburgische und bourbonische Thronanwärter in Frage – die Entscheidung sollte später auf den Schlachtfeldern des Spanischen Erbfolgekrieges fallen.

7. Karl II. von Spanien stirbt

Unter dem Einfluss des Kardinals Luis Manuel Fernández de Portocarrero (1635 – 1709) ernannte Karl II. von Spanien nach dem Ableben Joseph Ferdinands von Bayern Philipp von Anjou (1683 – 1746) zum Universalerben der spanischen Monarchie.

Philipp war ein Enkel des Sonnenkönigs.

Als Karl II. am 1. November 1700 starb, wurde Philipp von Anjou als Philipp V. zum neuen König von Spanien ausgerufen.

Das wollten die Habsburger jedoch nicht hinnehmen und proklamierten Erzherzog Karl (1685 – 1740) als Karl III. zum König von Spanien.

Karl war der jüngere Sohn von Kaiser Leopold I. und wurde von Österreich, England, Portugal, Savoyen, Preußen sowie der Republik der Vereinigten Niederlande unterstützt und anerkannt.

8. Der Spanische Erbfolgekrieg: 1701 bis 1709

Angesichts zweier rivalisierender Thronanwärter war ein Erbfolgekrieg unausweichlich.

Zunächst hatte Philipp V. die Oberhand und zog im Februar 1701 in der spanischen Hauptstadt Madrid ein.

Madrid befand sich – abgesehen von zwei kurzen Episoden in den Jahren 1706 und 1710 – stets unter der Kontrolle Philipps.

Karl III. traf im Jahr 1703 in Spanien ein und konnte im Oktober 1705 Barcelona erobern. Die katalanische Metropole fungierte fortan als seine Machtbasis.

Während des Erbfolgekrieges nahmen die mit Karl verbündeten Engländer Gibraltar ein – und herrschen bis heute über die Stadt.

Auf Seiten Karls kämpften berühmte Generäle wie Prinz Eugen (1663 – 1736) und der Herzog von Marlborough (1650 – 1722).

9. Der Spanische Erbfolgekrieg: 1710 bis 1713

Zwei Ereignisse sorgten dafür, dass sich das Blatt zugunsten der Bourbonen wendete.

Zum einen besiegte Philipp V. am 10. Dezember 1710 in der Schlacht von Villaviciosa ein von Guido von Starhemberg (1657 – 1737) angeführtes habsburgisches Heer.

Zum anderen starb am 17. April 1711 Kaiser Joseph I. (1678 – 1711) ohne männlichen Erben.

Karl war nun nicht nur habsburgischer Thronprätendent in Spanien, sondern auch als Karl VI. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches.

Seine Verbündeten befürchteten nun, dass er als König von Spanien und Römisch-Deutscher Kaiser in Personalunion zu mächtig werden und das Gleichgewicht der Kräfte in Gefahr bringen könnte.

Deshalb entzogen sie ihm die Unterstützung und drängten auf Friedensverhandlungen.

10. Aufteilung des Spanischen Weltreiches

Unter dem Druck seiner Verbündeten und angesichts zunehmender militärischer Misserfolge ließ sich Karl schließlich zu Verhandlungen ein.

Diese mündeten in den Friedensverträgen von Utrecht (1713) und Rastatt (1714).

In diesen wurde Philipp V. als König von Spanien anerkannt, jedoch bezahlte er einen hohen Preis für diese Anerkennung.

Zwar behielt Spanien seine Kolonien in der neuen Welt, doch seinen italienischen und niederländischen Besitz musste es an Österreich und Savoyen abtreten.

Die Spanischen Niederlande, Mailand, Mantua, Neapel und Sardinien gingen in österreichischen Besitz über und der Herzog von Savoyen erhielt Sizilien.

Großbritannien brachte Gibraltar und Menorca in seinen Besitz.

Außerdem wurde festgelegt, dass zwischen Frankreich und Spanien niemals eine Personalunion bestehen durfte.