Merkantilismus

Die Wirtschaftspolitik des Merkantilismus gab es in Frankreich bereits seit dem frühen 16. Jahrhundert.

Unter König Ludwig XIV. und seinem Finanzminister Jean-Baptiste Colbert erreichte sie ihren Höhepunkt.

Was war der Merkantilismus?

Beim Merkantilismus handelte es sich um ein Wirtschaftssystem, das unter Ludwig XIV. (1638-1715) von dessen Finanzkontrolleur Jean-Baptiste Colbert, dem Marquis de Seignelay (1619-1683), entwickelt wurde.

Dabei schuf Colbert ein System, in dessen Rahmen der Staat die wirtschaftlichen Abläufe präzise plante und in sie eingriff. Ziel war es, soviel Geld wie es ging, nach Frankreich einzuführen und so wenig wie möglich wieder herauszulassen.

Mitunter wurde der Merkantilismus dieser Art auch als Colbertismus bezeichnet. Der Begriff „Merkantilismus“ entstand jedoch erst im 19. Jahrhundert. Er wurde von dem französischen Wort „mercantile“ (den Handel betreffend) abgeleitet.

Entwicklung des Merkantilismus in Frankreich

Bereits im frühen 16. Jahrhundert begann sich der Merkantilismus in Frankreich zu entwickeln. Die Monarchie hatte den Adel aus seinen örtlichen Einflussoptionen verdrängt und war zur bedeutendsten Macht im Lande geworden. Zu den bekanntesten wirtschaftlichen Maßnahmen gehörten ein Einfuhrverbot für Wollerzeugnisse aus Spanien und Flandern sowie das Aufheben von Restriktionen gegen Goldexporte.

Im Jahr 1594 ernannte König Heinrich IV. (1553-1610) seinen Freund, den Herzog von Sully (1560-1641), zum Finanzminister, der die schwere Aufgabe übernahm, die Finanzen eines vollkommen von Kriegen, maroden Verkehrswegen, Räuberbanden und darniederliegender Wirtschaft gebeutelten Landes zu ordnen.

Sully avancierte zu den frühen französischen Vertretern des Merkantilismus. So ließ er Straßen und Kanäle bauen, um Wege für die Binnenwirtschaft zu schaffen. Außerdem kehrte sich der Merkantilismus von der Feudalwirtschaft, die auf dem Lehnswesen beruhte, ab und strebte eine staatliche Lenkung des Handels an. Dadurch sollte eine aktive Handelsbilanz erreicht werden.

Lage unter Ludwig XIV.

Im Jahr 1661 wurde Ludwig XIV. volljährig und übernahm die Staatsgeschäfte Frankreichs. Unter ihm wurde das Land zu einer absolutistischen Monarchie umgestaltet. Der König war oberster Gesetzgeber und zugleich höchster Richter des Staates, wodurch er sich die Justiz und Parlamente unterwerfen konnte.

Allerdings kostete Ludwigs luxuriöse Hofhaltung den Staat rund ein Drittel seiner Einnahmen. Um sich den Adel zu verpflichten, gewährte der Sonnenkönig zudem üppige Pensionen. Aber auch die Armee, die seinerzeit rund 400.000 Mann umfasste, war ein immenser Kostenfaktor.

Ludwig stand nun vor dem Problem, nicht mehr zu wissen, wovon er seine hohen Ausgaben bezahlen sollte. Auf den Adel konnte nicht zugreifen, weil dieser von der Steuerlast befreit war. Die Hauptlast der Steuern und Abgaben trug die ländlich-bäuerliche Bevölkerungsschicht, die rund 80 Prozent des französischen Volkes ausmachte.

Der Colbertismus

Im Jahr 1665 ernannte Ludwig XIV. den Bürgerlichen Jean-Baptiste Colbert zum neuen Finanzminister. Der Sohn eines Tuchhändlers aus Reims sollte die Finanzprobleme des Königs lösen und die leeren Staatskassen wieder füllen.

Von seinem Vater wusste Colbert, dass ein guter Geschäftsmann niemals mehr Geld ausgab, als er einnahm. Dieses Motto sollte auch für den Staat gelten. Colbert wusste jedoch, dass er die Adligen nicht zur Kasse bitten konnte. Die Ausgaben des Staates erhöhten sich aber von Jahr zu Jahr, und die Bauern konnten unmöglich noch mehr Steuern bezahlen. Colbert konzentrierte sich daher auf das Bürgertum in den Städten, das dort Gewerbe und Handel betrieb.

In seiner Heimatstadt Reims wurde die Stadtkasse durch die Produzenten von Leinenstoffen gefüllt. Die Produkte ließen sich jedoch fast nur in Reims absetzen. Gründe dafür waren die strengen Vorschriften der Zünfte, unzureichende Transportmöglichkeiten sowie zahlreiche regionale Zölle.

Um die Situation zu verbessern, ordnete Colbert Einschränkungen der Zollbestimmungen an. Weiterhin erfolgte eine Vereinheitlichung von Gewichten und Maßen in Frankreich. Gleichzeitig ließ er die französischen Straßen ausbauen, um den Transport von Handelsgütern zu erleichtern. So entstand zum Beispiel zwischen 1661 und 1681 im Süden des Landes der „Canal du Midi“.

Des Weiteren fanden der Ausbau der Häfen sowie die Entstehung von neuen Schiffen in den Werften statt. Für die neue Flotte wurden die Bewohner der Küsten gewonnen.

Die Manufakturen

Eine bedeutende Rolle in Colberts Plänen spielten die französischen Manufakturen. Da Frankreich mit hochwertigen Waren Geld verdienen wollte, wurden diese in Manufakturen hergestellt, die staatliche Zuschüsse erhielten. Außerdem brauchten sie keine Abgaben und Steuern zu entrichten.

Die Arbeiter in den Manufakturen waren in Schichten rund um die Uhr tätig, was an die Vorläufer der Fließbandarbeit erinnerte. Allerdings wurde seinerzeit alles noch per Hand angefertigt. So bedeutet der lateinische Begriff „manus“ Hand.

Colbert ließ auch Facharbeiter aus dem Ausland nach Frankreich kommen, um die Qualität der Erzeugnisse zu verbessern. Diese Fachleute unterrichteten zu diesem Zweck die einheimischen Arbeiter. Dabei kam es zumeist zur Herstellung von aufwendigen Luxusgütern.

Gründung von Handelsgesellschaften und Ausbau der Flotte

Colbert regte außerdem an, Handelsgesellschaften ins Leben zu rufen. Sie waren für die Organisation des Warenaustausches mit anderen Staaten verantwortlich.

Ein weiterer Nebeneffekt des Colbertismus war der Ausbau der französischen Flotte. So musste die Kriegsflotte aufgerüstet werden, um am internationalen Welthandel teilnehmen zu können. Infolgedessen avancierte die französische Marine unter Ludwig XIV. zur drittstärksten Seestreitmacht der damaligen Welt nach England und Holland.

Darüber hinaus kam es zur Gründung zahlreicher Kolonien und Handelsstützpunkte rund um den Erdball. Da sich die ausländische Konkurrenz das Aufstreben Frankreichs nicht tatenlos ansah, hatte dies regelrechte Wirtschaftskonflikte zur Folge.

Colberts Plan

Colberts Plan war es, die französischen Exporte zu steigern, damit mehr Gold und Silber ins Königreich floss. Durch das Entstehen der Manufakturen wollte er zudem eine Million Arbeitsplätze schaffen.

Die Aufgabe der Kontrolle der Produkte übernahmen die Handelszünfte. Zur Bewertung von Spitzenprodukten wurde ein königliches Gütesiegel verliehen.

Durch eine Verringerung kirchlicher Feiertage konnte Colbert eine längere Arbeitszeit erreichen. Die niedrigen Löhne der Arbeiter wurden durch Streik- und Versammlungsverbote gewährleistet.

1665 gelang es Colbert, die holländische Tuchfabrikantenfamilie Van Robais ins Königreich zu holen. In der Stadt Abbeville errichtete sie die „Manufacture royale des Rames“, die die Herstellung von feinen Tuchstoffen in Frankreich begründete.

Colbert sorgte außerdem dafür, dass keine Waren aus dem Ausland nach Frankreich importiert wurden. Daher ließ er ausländische Produkte mit Zöllen belegen, sodass die Franzosen in erster Linie einheimische Waren konsumierten, weil sie preisgünstiger waren. Dadurch konnte das ausgegebene Geld im Land bleiben.

Die billigen Rohstoffe stammten größtenteils aus den französischen Kolonien, sodass billig eingekauft, aber teuer verkauft werden konnte.

Ferner ließ Colbert Regelungen und Gesetze erlassen, die verhinderten, dass französische Fachleute das Land verließen. Die inländischen Zölle wurden abgesenkt oder sogar ganz aufgehoben.

Auswirkungen des Merkantilismus

Abgesehen von der Landwirtschaft hatte sich der französische Staat in jeden Wirtschaftsbereich des Landes eingemischt. Die Geschäftsleute verspürten aufgrund der massiven staatlichen Reglementierungen nur wenig Innovationsfreude.

Aus religiösen Gründen ließ König Ludwig XIV. sämtliche protestantischen Hugenotten aus Frankreich ausweisen. Dies betraf jedoch auch zahlreiche leitende Unternehmer oder Experten aus der Wirtschaft, die den Betrieben dann fehlten.

Das Volk konnte vom Merkantilismus kaum profitieren. So war der Colbertismus in erster Linie dazu bestimmt, die königlichen Kassen wiederaufzufüllen. Darüber hinaus diente die Wirtschaft dem König, dem Adel und der Armee.

Ein Problem für Frankreich war, dass auch andere europäische Staaten den Merkantilismus verfolgten, was sich wiederum negativ auf die Erfolge auswirkte. So kam es wiederholt zu Interessenkonflikten, die immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen führten.

Ende des Colbertismus

Colberts Merkantilismus half Ludwig XIV. nur vorübergehend dabei, dessen Finanzlage zu verbessern. Seine größten Leistungen bestanden jedoch im Ausbau der französischen Infrastruktur. So wurden u. a. Straßen und Kanäle errichtet und einheimische Zollschranken abgebaut.

Die Maßnahmen trugen auch zu einer effizienteren Verwaltung bei. Colbert setzte in erster Linie auf den Außenhandel, doch stellte dieser in Frankreich nur einen kleinen Bereich der heimischen Wirtschaft dar, die nach wie vor von der Landwirtschaft geprägt wurde.

Im Endeffekt wurden die französischen Finanz- und Gesellschaftsprobleme durch den Merkantilismus nicht nachhaltig verbessert, was letztlich zum Ausbruch der Französischen Revolution sowie zum Untergang des Absolutismus führte.

Colbert starb am 6. September 1683 in Paris. Einige Jahre später gelangte der Conseil de Commerce zu der Auffassung, das es nicht möglich sei, andere Nationen zum Kauf von französischen Handelswaren zu zwingen.

Die Folge davon war die Abkehr von Colberts Außenhandelspolitik, sodass einige bedeutende französische Hafenstädte zu Freihäfen erklärt wurden.

Ab 1713 ließ König Ludwig XIV. Handelsverträge abschließen, die sich außenhandelsfreundlicher gestalteten.