François Michel Le Tellier de Louvois (1641 – 1691)

1. Herkunft

François-Michel Le Tellier, Marquis de Louvois erblickte am 18. Januar 1641 in Paris das Licht der Welt. Er wurde in eine der einflussreichsten Familien Frankreichs hineingeboren. Sein Vater Michel Le Tellier (1603 – 1685) war seit 1643 französischer Kriegsminister. Sein Bruder Charles-Maurice Le Tellier (1642 – 1710) übernahm im Jahr 1671 das Amt des Erzbischofs von Reims. Die Familie Le Tellier war überaus wohlhabend und verfügte zum Todeszeitpunkt des Marquis de Louvois (1691) über ein Vermögen in Höhe von 20 Millionen Livres. Sie besaß auch ein enormes politisches Kapital und stellte zwischen 1643 und 1701 ununterbrochen den Kriegsminister. Louvois hatte schon seit frühester Kindheit engen Kontakt mit König Ludwig XIV. (1638 – 1715).

2. Louvois‘ Charakter bzw. Persönlichkeitsmerkmale

Louvois ging beim Erreichen seiner Ziele rücksichtslos vor und zeichnete sich durch seine Brutalität aus. Er paarte ein aggressives Auftreten mit Effizienz. Sein lebhaftes Temperament konnte er nur schwer im Zaum halten. In hitzigen Debatten wurde er häufig ausfallend. Der Historiker Pierre Gaxotte (1895 – 1982) bescheinigte ihm im Jahr 1946 derbe Manieren („rude dans ses manières“). Außerdem galt Louvois als unversöhnlich. Zugleich beeindruckte er seine Zeitgenossen durch seinen Arbeitseifer. 500 Volumen an Korrespondenz, die er der Nachwelt zur Verfügung stellte, sprechen eine deutliche Sprache. Louvois war aufgrund seiner Effizienz und Arbeitsmoral einer der begabtesten Minister des Sonnenkönigs.

3. Louvois als Kriegsminister

Louvois wurde schon früh von seinem Vater Michel Le Tellier unter die Fittiche genommen. Er war der designierte Nachfolger seines Vaters im Amt des Kriegsministers und wurde schrittweise an diese Aufgabe herangeführt. Nach der Ernennung Louvois‘ zum Kriegsminister hatte Frankreich ab 1666 zwei Kriegsminister gleichzeitig. Jedoch gab zunächst auch weiterhin Michel Le Tellier die Richtung vor. Louvois war anfangs Lehrling seines Vaters. Erst als Le Tellier 1677 Kanzler von Frankreich wurde, war Louvois alleiniger Kriegsminister. Nun hatte Louvois das Sagen. Ähnlich wie sein Vater baute Louvois seinen eigenen Sohn Barbezieux (1668 – 1701) zum Nachfolger auf.

4. Das Magazin-System

Die Kriegsminister Michel Le Tellier und Louvois machten mit Hilfe von tiefgreifenden Reformen aus der französischen Armee die schlagkräftigste in Europa. Die Reorganisation der Streitkräfte begann unter Le Tellier. Kernstück der Reformen war die Einführung eines Magazin-Systems zur Versorgung der Soldaten mit Lebensmitteln und Kleidung. Louvois sorgte in seiner Zeit als Kriegsminister dafür, dass das von seinem Vater erschaffene System auch wirklich in die Tat umgesetzt wurde. Fehler oder Unordnung duldete er nicht. Der Ausbau bzw. die Vollendung des Magazin-Systems geht auf Louvois zurück. In der Folge konnte Frankreich in Kriegszeiten eine große Anzahl von Soldaten gleichzeitig versorgen.

5. Louvois und die Reunionen

Die Reunionspolitik (1679 – 1684) ist untrennbar mit dem Namen Louvois verbunden. Er war der Kopf hinter dieser Strategie und der französische Historiker Gaston Zeller (1890 – 1960) bezeichnete die Reunionspolitik daher als „son programme“ (sein Programm). Unter Reunionen versteht man die Annexion von Gebieten, die einst in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den im Westfälischen Frieden (1648) und darüber hinaus von Frankreich eroberten Territorien standen. Am 17. Februar 1679 forderte Louvois vom Intendanten des Elsasses eine Auflistung der Städte an, die Frankreich auf Basis des Westfälischen Friedens und des Friedens von Nimwegen (1679) beanspruchen könnte.

Bei der Umsetzung der Reunionspolitik arbeitete Louvois eng mit Roland Ravaulx zusammen. Letzterer war General-Prokurator bei der Reunionskammer in Metz, die die Reunionen beschloss. Jeder einzelnen Reunion ging ein in rechtlicher Hinsicht dubioses Verfahren voraus.

6. Louvois und das Postwesen

Im Jahr 1668 sicherte sich Louvois zusammen mit seinem Vater die Rechte über die französische Post. Außerdem war er Großmeister der Kuriere sowie Generalintendant der Posten, Relais und Mietpferde. Das Amt des Surintendant Général des Postes übte er von 1668 bis zu seinem Tod im Jahr 1691 aus. Der Kauf der Postrechte war für Louvois ein lukrativer Deal. Für die Einkünfte aus dem Auslandsgeschäft alleine könnte er eine jährliche Summe in Höhe von 1,2 Millionen Livres erhalten haben. Die Kontrolle über das Postwesen verschaffte ihm auch politische Vorteile. So ignorierte er in einigen Fällen das Briefgeheimnis, um sich einen Informationsvorsprung zu verschaffen. Außerdem stellte der Kriegsminister Louvois die Post in den Dienst der militärischen Bedürfnisse.

7. Louvois‘ Rivalität mit Colbert

In der Ära des Sonnenkönigs bestimmte die Rivalität zwischen den Familien Le Tellier und Colbert die französische Politik. Insbesondere der Kriegsminister Louvois und der Finanz- und Marineminister Jean-Baptiste Colbert (1619 – 1683) waren in ein ständiges Kompetenzgerangel verwickelt. Zum Beispiel im Festungswesen, wo Colbert für den Festungsbau an der Küste und Louvois für die Errichtung von Landfestungen zuständig war. Und der Holländische Krieg wurde laut dem Herzog von Saint-Simon (1675 – 1755) von Louvois vorangetrieben, um Colbert zu schaden. Letzterer hatte als Generalkontrolleur der Finanzen den Staatshaushalt saniert, aber ein weiterer kostspieliger Krieg würde diesen Erfolg mit einem Schlag zunichtemachen. So kam es letztendlich auch. Auch die von Colbert aufgebaute französische Marine wurde von Louvois sabotiert.

8. Politische Hegemonie

Während der Giftaffäre (1679 – 1682) gewann Louvois das Vertrauen des Königs. Der Tod Jean-Baptiste Colberts am 6. September 1683 stellte einen Wendepunkt im Machtkampf zwischen den Familien Colbert und Le Tellier dar. Es begann die jahrelange Dominanz der Familie Le Tellier. Nach dem Ableben seines großen Rivalen hatte Louvois nun ungehinderten Zugang zum Ohr des Königs und wurde der mächtigste Minister in Frankreich. Louvois nutzte seinen vergrößerten Einfluss, um bei Ludwig XIV. erfolgreich für die Aufhebung des Ediktes von Nantes zu werben. Zudem gewannen unter seinem Einfluss die militärischen Aspekte in der französischen Außenpolitik die Oberhand. Louvois war der führende Vertreter einer aggressiven Außenpolitik, die sich im Pfälzischen Krieg manifestierte.

9. Der Pfälzische Krieg

Am 24. September 1688 marschierten französische Truppen ins Heilige Römische Reich ein. Damit eskalierten mehrere Konflikte. In Köln kam es bei der Wahl des neuen Erzbischofs zu einem umstrittenen Ergebnis. In der Pfalz stellte Ludwig XIV. nach dem Tod des Kurfürsten Karl II. (1651 – 1685) im Namen seiner Schwägerin Liselotte von der Pfalz (1652 – 1722) Ansprüche. Und die Zukunft der von Frankreich im Zuge der Reunionspolitik besetzten Gebiete war ebenfalls ungeklärt. Der Sonnenkönig befand sich in strategischer Hinsicht in der Defensive und wollte seinen Feinden daher mit einem Überraschungsangriff zuvorkommen. In der Anfangsphase des Krieges konnte die französische Armee die Gegner überrumpeln und stieß weit ins Heilige Römische Reich vor.

10. Louvois und die Taktik der verbrannten Erde

Nach den Anfangserfolgen blieb der schnelle Sieg jedoch aus. Daraus ergab sich das Problem, dass Frankreich über zu wenige Soldaten verfügte, um die besetzten Gebiete am Rhein dauerhaft halten zu können. Die Lösung aus französischer Sicht bestand in der Taktik der verbrannten Erde. Für diese Strategie zeigten sich König Ludwig XIV., Louvois und Jules-Louis Bolé de Chamlay (1650-1719) verantwortlich. Damit gingen systematische Verwüstungen am Rhein einher. Die von Frankreich verwüsteten Gebiete sollten von dessen Feinden nicht zu militärischen Offensiven benutzt werden können. Den kaiserlichen Truppen sollte das Überschreiten des Rheins so schwer wie nur möglich gemacht werden. Die Zerstörungen und Verwüstungen am Rhein hatten deren Möglichkeiten der Kriegsführung stark eingeschränkt.

11. Louvois und die Verwüstung der Pfalz

Die systematische Verwüstung des linken Rheinufers hatte Louvois auf dem Reißbrett geplant. Dieser Taktik fielen unzählige Städte, Schlösser und Burgen zwischen Rhein und Neckar zum Opfer. Den größten Schaden nahm jedoch die Pfalz. Besonders berüchtigt war Ezéchiel de Mélac, auf dessen Konto unter anderem die Zerstörung von Heidelberg geht. Mélac war gefürchtet aufgrund seiner Grausamkeit und wurde für viele Deutsche zu einer Hassfigur. Das brutale Vorgehen der französischen Truppen auf dem linken Rheinufer sorgte bei den Zeitgenossen für Empörung und spielte eine Rolle bei der Entstehung der deutsch-französischen „Erbfeindschaft“.

12. Louvois – Ungnade und Tod

Am 30. Juli 1683 starb Maria Teresa von Spanien (1638 – 1683), die Ehefrau Ludwigs XIV. von Frankreich. Danach heiratete der Sonnenkönig seine Mätresse Madame de Maintenon (1635 – 1719). Auf die öffentliche Bekanntmachung der Vermählung verzichtete Ludwig XIV. jedoch unter dem Einfluss von Louvois. Damit hatte sich der Kriegsminister die Madame de Maintenon zur Feindin gemacht. 1691 gelang es ihr schließlich, den König gegen Louvois aufzubringen. Der einst mächtige Kriegsminister fiel in Ungnade und starb plötzlich am 15. Juli 1691. Damit kam er wahrscheinlich seiner Entlassung zuvor. Laut dem Herzog von Saint-Simon hielt sich die Trauer am Hof in Grenzen.

Danach begann der Abstieg der Familie Le Tellier. Louvois konnte zwar noch seinen Sohn Barbezieux als Nachfolger im Amt des Kriegsministers durchsetzen, doch Barbezieux wurde nur 32 Jahre alt.